Mobbing: Arbeitgeber darf Kritik üben
Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 20.01.2007
Mobbing: Arbeitgeber darf Kritik üben - Unbehagen allein reicht nicht zur Begründung von Schmerzensgeldansprüchen aus
Nicht wenige Arbeitnehmer erleben täglich Psychoterror an ihrem Arbeitsplatz. Das Phänomen „Mobbing am Arbeitsplatz“ ist zwar keine Erscheinung der jüngsten Zeit, nimmt aber heute vor den Arbeitsgerichten einen größeren Stellenwert ein als früher.
Was unter dem Begriff „Mobbing“ zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Das Bundesarbeitsgericht versteht hierunter das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte. Hierbei sind regelmäßig nicht einzelne Handlungen des Mobbenden maßgeblich, da diese isoliert betrachtet rechtlich bedeutungslos sein können. Es sind vielmehr die vielen kleinen Nadelstiche, die über einen gewissen Zeitraum erfolgen und in ihrer Summe erst eine Situation schaffen, die das Leben am Arbeitplatz zur Hölle werden lassen und damit unter dem Begriff des Mobbing beurteilt werden können.
Bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen mit diesem Thema geht es in erster Linie um Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüche. Um derartige Ansprüche aus Arbeitnehmersicht mit Erfolg durchsetzen zu können, muss die bereits erwähnte systematische - also vorsatzgeprägte - Vorgehensweise des Kontrahenten vom Mobbingopfer vor Gericht konkret dargestellt und u. U. auch nachgewiesen werden können. Weiterhin muss dadurch bei dem „Gemobbten“ ein krankheitswerter Zustand hervorgerufen worden sein. Ein lediglich mehr oder weniger starkes und von der Persönlichkeitsstruktur beeinflusstes Unbehagen scheidet also von vornherein aus.
Anhand einer neueren Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg wird abermals deutlich, dass die Gerichte bei der Beurteilung von Mobbingfällen eher zurückhaltend sind. Jedenfalls rechtfertigen Äußerungen des Arbeitgebers, die die Arbeitsleistung kritisieren und dem Arbeitnehmer Sanktionen bei Fehlleistungen ankündigen, nach der Entscheidung des Landesarbeitsgericht Nürnberg noch keine Schmerzensgeldansprüche wegen Persönlichkeitsverletzung oder Mobbing (LAG Nürnberg vom 05.09.2006, Az.: 6 Sa 537).
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger für die Dauer von 24 Tagen bei der Beklagten als Lkw-Fahrer beschäftigt. Nachdem er vier Tage hauptsächlich mit dem Inhaber der Beklagten in dessen Lkw mitgefahren war, erkrankte er arbeitsunfähig. Der Kläger verlangte vom beklagten Arbeitgeber Schmerzensgeld, weil der Inhaber ihn schikaniert und in seiner Ehre verletzt habe. Dieses Verhalten habe bei ihm zu einer Gesundheitsschädigung geführt, weswegen er vor dem Arbeitsgericht die Auffassung vertrat, dass ihm ein Schmerzensgeld von mindestens 8.000 Euro zustehe. Im einzelnen führte er aus, dass der Arbeitgeber kurz nach dem Arbeitsantritt des Klägers erklärt habe, er müsse anständig fahren. Sollte er einen Unfall verursachen oder auch nur einen Kratzer oder ein Rücklicht beschädigen, müsse er mit Konsequenzen rechnen, auch mit Entlassung. Ferner sei er vom Arbeitgeber gefragt worden, wo er überhaupt das Fahren gelernt habe, da er nicht fähig sei, einen Lkw zu fahren. Er fahre «wie ein Schwein». Auch habe der Beklagte ihm das Rauchen in dem Fahrzeug untersagt, obwohl der Kläger starker Raucher sei. Auf die Frage nach Pausen und Lenkzeiten sei erklärt worden, es gebe weder das eine noch das andere. Als der Kläger sich nach vier Tagen krank gemeldet habe, habe der Inhaber zunächst erklärt, dies sei in Ordnung. Am selben Tag habe jedoch dessen Ehefrau angerufen und mitgeteilt, dass der Kläger entlassen sei, die Krankmeldung interessiere nicht. Diese sei dann auch zurückgesandt worden.
Die Klage des Arbeitnehmers war weder in der ersten noch in der zweiten Instanz erfolgreich. Das Landesarbeitsgericht entschied, dass der Sachvortrag des Klägers nicht zur Begründung eines Schmerzensgeldanspruches ausreiche. Was die Bemerkung des Arbeitgebers hinsichtlich der Folgen eines Unfalls betreffe, sei diese noch nicht einmal rechtswidrig. Es stehe dem Arbeitgeber gerade innerhalb von Probe- und Wartezeit bei Beginn eines Arbeitsverhältnisses zu, einen Arbeitnehmer zu entlassen, wenn er sein Eigentum beschädigt. Es sei auch nicht zu beanstanden, wenn er dies vorher ankündige.
Die Erklärungen des Beklagten hinsichtlich der Fahrweise sahen die Richter ebenfalls nicht als rechtswidrig, sondern lediglich als „unhöfliche Kritik“ an, die aber über eine normale Rüge, die ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz hinzunehmen habe, nicht hinausgehe. Die Bemerkung, der Kläger «fahre wie ein Schwein», überschreite zwar die von einem Arbeitgeber oder Vorgesetzten hinzunehmende Kritik, stelle aber noch keine Beleidigung im Rechtssinne dar. Eine Persönlichkeitsverletzung des Klägers sahen die Richter hierin nicht. Zur Begründung von Schadensersatzansprüchen sei eine solche Bemerkung «bei weitem noch kein geeigneter Anlass». Auch das Rauchverbot sei nicht unbillig gewesen. Wie schon das Arbeitsgericht zuvor festgestellt hatte, sei ein Arbeitgeber berechtigt, seinen Arbeitnehmern das Rauchen in den Betriebsräumen zu verbieten. Den Vortrag, der Beklagteninhaber habe die Einhaltung von Pausen und Lenkzeiten untersagt, erachtete das LAG indes mangels näheren Vorbringens als «Gerede» des Klägers.
Schlussendlich machte das LAG in seiner Entscheidung deutlich, dass auch aus einer Gesamtbetrachtung des vom Kläger behaupteten Verhaltens des Arbeitgebers sich eine das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzende Handlung nicht entnehmen lasse. Ein verständiger Arbeitgeber habe in keiner Weise damit rechnen müssen, dass ein Arbeitnehmer sich ein solches Verhalten so zu Herzen nehmen würde, dass die Gefahr von Arbeitsunfähigkeit oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestehen könnte. Vielmehr könne ein Arbeitgeber davon ausgehen, dass ein Arbeitnehmer ein gewisses Maß an Kritik vertrage.
Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
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