Lottospiel beim Befristungsrecht

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 16.09.2006

Lottospiel beim Befristungsrecht: Unbefristetes Arbeitsverhältnis durch Vereinbarung einer Gehaltserhöhung

 

Der Abschluss von befristeten Arbeitsverhältnissen gewinnt im Arbeitsleben immer mehr an Bedeutung. Der Gesetzgeber unterscheidet hierbei zwischen der Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung und einer Befristung, die auf einem Sachgrund wie z.B. einem vorübergehenden Mehrbedarf an Arbeitsleistung, Vertretung eines kranken oder in Elternzeit befindlichen Mitarbeiters, etc., basiert. Werden beim Abschluss entsprechender Vereinbarungen die rechtlichen Voraussetzungen verkannt, so sind die Befristungen unwirksam, was zur Annahme unbefristeter Arbeitsverhältnisse führt. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23. August 2006 zeigt, dass die Rechtslage für den juristischen Laien kaum und selbst für Juristen nur noch schwer zu durchschauen ist. Im vorliegenden Fall hatte sich das höchste deutsche Arbeitsgericht mit der Frage einer wirksamen Verlängerung eines ohne sachlichen Grund befristeten Arbeitsvertrages zu befassen.

 

Grundsätzlich erlaubt das Teilzeit- und Befristungsgesetz in § 14 Abs. 2 den Abschluss und die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren auch ohne dass ein sachlicher Grund für die Befristung gegeben ist. Allerdings besteht diese Möglichkeit nur dann, wenn es sich um eine Neueinstellung handelt, also um die Einstellung eines Arbeitnehmers, der zuvor noch nie in einem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber stand und zwar unabhängig davon, ob befristet oder unbefristet. Voraussetzung für eine Verlängerung innerhalb des Höchstbefristungszeitraums von zwei Jahren ist, dass die Verlängerung noch während der Laufzeit des zu verlängernden Vertrages vereinbart und nur die Vertragsdauer geändert wird, nicht aber die übrigen Arbeitsbedingungen wie etwa Art oder Umfang der Arbeitszeit. Dies gilt selbst bei einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen wie das Bundesarbeitsgericht nunmehr entschieden hat.

 

Bei dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger zunächst für die Zeitdauer von einem Jahr aufgrund einer Befristung eingestellt worden. Vor Ablauf der Befristung vereinbarten der Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis für ein weiteres Jahr befristet fortzusetzen, wobei im Übrigen alles beim Alten blieb bis auf eine für den Arbeitgeber verhängnisvollen Ausnahme: Der Stundenlohn wurde für den neuen Befristungszeitraum um 0,50 Euro erhöht! Nachdem das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der zweiten Befristung vom Arbeitgeber nicht fortgesetzt wurde, klagte der Arbeitnehmer gegen die Wirksamkeit der Befristung. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht hatten keine Zweifel, dass es sich bei dem zweiten Vertrag um eine zulässige Verlängerung des ersten Arbeitsvertrages handelte und hatten die Klage abgewiesen. Anders entschied das hierauf vom Kläger angerufene Bundesarbeitsgericht. Dieses vertrat die Auffassung, dass eine wirksame Verlängerung nur dann vorgelegen hätte, wenn alle Arbeitsbedingungen bis auf die Vertragsdauer unverändert geblieben wären, wovon in Anbetracht der vom Arbeitgeber gewährten Gehaltserhöhung von 0,50 Euro/Stunde nicht ausgegangen werden könne. Aufgrund der Gehaltserhöhung handele es sich nicht um eine Verlängerung des ursprünglich befristeten Arbeitsvertrages, sondern um einen Neuabschluss, dessen Befristung lediglich bei Vorliegen eines Sachgrundes möglich gewesen wäre. Eine sachgrundslose Befristung sei hingegen unwirksam, da zwischen den Parteien bereits zuvor ein Arbeitsvertrag – nämlich der Vertrag, den die Arbeitsvertragsparteien eigentlich verlängern wollten - bestanden habe. Das Bundesarbeitsgericht verwies allerdings darauf, dass der Fall anders zu beurteilen wäre, sofern die Erhöhung des Gehaltes bereits im Ursprungsvertrag oder während der Laufzeit des ersten befristeten Vertrages vereinbart worden wäre. Hätte der Arbeitgeber demzufolge einen Tag vor der Verlängerung die Gehaltserhöhung mit dem Mitarbeiter vereinbart, so wäre nach der Logik der Rechtsprechung des BAG alles in Ordnung gewesen.

 

Im Ergebnis bedingt das Urteil, dass Arbeitgeber zukünftig bei Verlängerungen sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge keine Gehaltserhöhungen mehr vereinbaren können. Ob dies im Interesse der Arbeitnehmer liegt, ist zu bezweifeln. Das Urteil des BAG macht wieder einmal deutlich, dass die Fallstricke im Arbeitsrecht nur durch die fortwährende Beachtung der Rechtsprechung zu umgehen sind und gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ohne eigene Arbeitsjuristen erhebliche Risiken bergen. Wünschenswert wäre, dass der Gesetzgeber im Rahmen der zum Jahresanfang 2007 angekündigten Veränderungen auf dem Gebiet der Befristungen Klarheit schafft, die dem täglichen Umgang mit den Befristungsregelungen den Charakter eines Lottospiels tatsächlich nehmen.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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