Koalitionsvereinbarung

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 26.11.2005

Kündigungsschutz weiterentwickeln

Unter dieser Überschrift sind die arbeitsrechtlichen Änderungen zusammengefasst, welche die künftige Bundesregierung im Kündigungsschutz verabschieden möchte. Mit den Änderungen soll das in der Koalitionsvereinbarung festgeschriebene Ziel verfolgt werden, einerseits mehr Beschäftigung zu ermöglichen und andererseits die Schutzfunktion des Kündigungsschutzes für bestehende Arbeitsverhältnisse nachhaltig zu sichern.

Nach den geplanten Neuregelungen sollen befristete Arbeitsverhältnisse, also solche die mit Ablauf der vereinbarten Frist automatisch enden, anders als bisher zukünftig nur noch mit sachlicher Begründung möglich sein. Dies klingt zunächst aus Arbeitnehmersicht gut, jedoch soll andererseits bei Neueinstellungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien die Verlängerung der sog. gesetzlichen Regelwartezeit von bisher 6 auf zukünftig 24 Monate vereinbart werden können. Diese Frist ist für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes und mithin zur Beantwortung der Frage, ob ein Arbeitnehmer überhaupt Kündigungsschutz genießt, maßgeblich. Da innerhalb der Wartefrist eine arbeitgeberseitige Kündigung ohne Begründung ausgesprochen werden kann, wird die Wartefrist gemeinhin wie in der bisherigen Berichterstattung zu den geplanten Reformen als "Probezeit" verstanden.

In Zeiten schlechter Arbeitsmarktchancen wird ein Arbeitnehmer eine solche „Vereinbarung“ ebenso wenig ablehnen, wie den nach bisherigem Recht möglichen Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages ohne sachlichen Grund. In beiden Fällen tritt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein, ohne dass der Arbeitgeber einen Grund zu nennen braucht. Der einzige Unterschied, ob für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein der Fristablauf genügt oder pro Forma noch eine Kündigung des Arbeitgebers zu erfolgen hat, tritt aus Sicht des Arbeitnehmers in den Hintergrund.

Inwieweit allerdings bei einer vom Arbeitgeber im Arbeitsvertrag vorformulierten Verlängerung der Wartefrist von einer „Vereinbarung“ gesprochen werden kann, wird wohl weniger dem Gesetzestext zu entnehmen sein als aus den Entscheidungen vorprogrammierter Rechtsstreitigkeiten. Bei der Verlängerung der Wartezeit von 6 auf 24 Monate wird von den Koalitionären lediglich von einer „Option“ gesprochen. Das heißt, ohne die entsprechende Mitwirkung des Arbeitnehmers bleibt kündigungsschutzrechtlich zunächst fast alles beim Alten.

Die Neureglung kann aber durchaus für beide Seiten Chancen bieten, wenn es zum Beispiel gelingt, bereits bei Abschluss des Vertrages passende Regelungen auszuhandeln, die zur Anwendung gelangen, wenn das Arbeitsverhältnis später beendet werden muss. Bestandteil solcher Regelungen könnte etwa die Zahlung einer Abfindung sein. Nach der derzeit noch gültigen gesetzlichen Regelung besteht hierauf weder ein Anspruch des Arbeitnehmers noch die rechtliche Möglichkeit des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch Zahlung einer Abfindung zu beenden. Im Rahmen solcher Vereinbarungen wäre es zudem auch denkbar, näher zu definieren unter welchen Umständen eine Kündigung während der Wartezeit möglich ist, d. h. den Kündigungsschutz also nur in einem für beide Seiten verträglichen Maß zu lockern. Die Kosten für arbeitsgerichtliche Prozesse, die in einer Vielzahl von Fällen ohnehin mit der Zahlung einer Abfindung enden, könnten sich so vermeiden lassen.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

Zurück