Kalt gestellt, was nun? Schmerzensgeld bei vertragswidriger Beschäftigung

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 24.02.2007

Kalt gestellt, was nun? Schmerzensgeld bei vertragswidriger Beschäftigung

Nicht selten bedienen sich Arbeitgeber im Rahmen arbeitsrechtlicher Konflikte der Taktik einen Arbeitnehmer sozusagen „kalt zu stellen“, um auf diesem Weg die Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erhöhen. Manchmal stimmt etwa nach einem Vorgesetztenwechsel einfach die Chemie nicht mehr oder es werden Defizite des Arbeitnehmers offenbar, die jahrelang verborgen geblieben sind. In beiden Fällen muss der Arbeitgeber jedoch erkennen, dass eine Kündigung ad hoc nicht möglich und unter Beachtung der Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht durchsetzbar ist. Gelingt es in solchen Fällen dann nicht, mit dem Arbeitnehmer eine einvernehmliche Regelung zu finden, so scheint aus Arbeitgebersicht häufig nur noch die Schaffung eines gewissen Leidensdrucks den gewünschten Erfolg zu bringen. Gut dotierte Banker werden beispielsweise zum „Coupon-Schneiden“ in den Tresorkeller verbannt, Außendienstlern wird der undankbarste Vertretungsbezirk zugewiesen, Führungskräften wird die Mitarbeiterführung entzogen, etc. Kurzum: Es wird eine „Degradierung“ vorgenommen.

Für den betroffenen Arbeitnehmer stellt sich zunächst das Problem der richtigen Reaktion. Wäre die Frage, ob er entsprechenden Anweisungen Folge leisten muss, eindeutig zu verneinen, so könnte er sich ruhig zurücklehnen, die zugewiesenen Tätigkeiten ablehnen und trotzdem die vertragsgemäße Vergütung verlangen. Bis auf extreme Ausnahmefälle dürfte dies jedoch nicht die Regel darstellen. Will ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber daher nicht noch die Vorlage für den Ausspruch einer Kündigung wegen Arbeitsverweigerung geben, so bleibt ihm oft nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen und zunächst einmal den Anweisungen seines Arbeitgebers zu folgen. Allerdings ist der Arbeitnehmer dennoch nicht ganz hilflos gegen derartige Verhaltensweisen. So hat er die Möglichkeit, im Wege eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens den Arbeitgeber auf vertragsgemäße Beschäftigung zu verklagen, u. U. bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen sogar in einem Eilverfahren. Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. 6. 2006 (Az.: 4 Sa 68/05) soll der betroffene Arbeitnehmer in solchen Fällen aber zudem auch eine Geldentschädigung vom Arbeitgeber verlangen können. Das Gericht hatte im Fall eines Managers, der über einen Zeitraum von ca. zwei Jahren nur noch mit minderwertigen Tätigkeiten betraut worden war, einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 25.000,00 € zugesprochen. In seiner Entscheidung machte das Gericht deutlich, dass dieses Schmerzensgeld unabhängig von der Frage, ob dem Arbeitnehmer für die minderwertigen Aufgaben seine ursprüngliche Vergütung weitergezahlt worden war, vom Arbeitgeber zu leisten ist. Begründet hat das Landesarbeitsgericht dies mit dem Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach der Arbeitnehmer nicht nur das Recht auf vertragsgemäße Vergütung, sondern auch auf eine ebenso vertragskonforme Beschäftigung hat. Dies wird aus dem im Grundgesetz in Artikel 1 und 2 verbrieften Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit hergeleitet, welches das Gericht in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall durch die zweijährige vertragswidrige Beschäftigung als verletzt ansah. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg ist bemerkenswert, da die Rechtsprechung bislang bei Schmerzensgeldansprüchen im Arbeitsrecht sehr zurückhaltend war und Schmerzensgeldansprüche wegen nicht vertragsgerechter Beschäftigung nahezu unbekannt sind. Es bleibt abzuwarten, ob diese neue Rechtsprechung Schule machen wird.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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