2. Teil: Die betriebsbedingte Kündigung
2. Teil: Die betriebsbedingte Kündigung Veröffentlicht in: FRIZZ- Das Magazin für Darmstadt 2/2011
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber
Teil 2: Die betriebsbedingte Kündigung
Aufgrund der derzeit wirtschaftlich schwierigen Situation sind in vielen Unternehmen Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigungen an der Tagesordnung. Für Arbeitnehmer, die von einer Rationalisierung ihres Arbeitsplatzes betroffen sind, bedeutet dies neben dem Verlust des Arbeitsplatzes häufig auch die Angst vor längerer Arbeitslosigkeit. Vor diesem Hintergrund ist in der Praxis die Tendenz zu verzeichnen, dass immer mehr Arbeitnehmer eine Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses nicht einfach akzeptieren, sondern gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen und um ihren Arbeitsplatz kämpfen.
Erfolgsaussichten einer Klage wegen betriebsbedingter Kündigung?
Welche Erfolgsaussichten bei einer Klage gegen eine betriebsbedingte Kündigung bestehen, hängt von vielen Faktoren ab, in erster Linie von der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung und klagt der von der betriebsbedingten Kündigung betroffene Mitarbeiter vor dem Arbeitsgericht, so muss der Arbeitgeber die Rechtswirksamkeit der Kündigung ausführlich begründen. Pauschale Hinweise auf die derzeit schwierige wirtschaftliche Situation sind hierbei nicht ausreichend. Vielmehr muss der Arbeitgeber die „soziale Rechtfertigung“ der Kündigung konkret darlegen und im Streitfall beweisen. Hierbei sind vom Arbeitgeber vor allem zwei wesentliche Hürden zu überwinden: Zum einen müssen „dringende inner- oder außerbetriebliche Gründe“ vorliegen, die der Weiterbeschäftigung des Gekündigten entgegenstehen. Zum anderen muss eine sog. „Sozialauswahl“ vorgenommen werden.
Was sind betriebsbedingte Gründe?
Innerbetriebliche Gründe liegen dann vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme - z.B. zu Rationalisierungsmaßnahmen, der Einstellung oder Einschränkung der Produktion - entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Diese unternehmerische Entscheidung ist durch die Arbeitsgerichte grundsätzlich nur eingeschränkt überprüfbar. Die Arbeitsgerichte haben nicht darüber zu entscheiden, ob es zweckmäßig ist, dass der Arbeitgeber beispielsweise seine Produktion einschränkt. Überprüfbar ist allerdings, ob die unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Hierzu muss der Arbeitgeber konkret darlegen, welche organisatorischen Maßnahmen er getroffen hat - z.B. eine Neuverteilung von Aufgaben, eine Auslagerung einzelner Betriebsabteilungen oder die Schließung seines Betriebes - und warum hierdurch der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bedingt ist.
Als außerbetriebliche Gründe kommen z.B. Auftrags- oder Umsatzrückgänge in Betracht. Hierbei genügt es den Arbeitsgerichten aber nicht, wenn der Arbeitgeber pauschal behauptet, er habe seinen Personalbestand wegen des eingetretenen Auftragsrückgangs entsprechend anpassen müssen. Vielmehr ist die Darlegung des genauen Zusammenhangs notwendig. Der Arbeitgeber muss vortragen, wieso rückläufige Umsatzzahlen zu weniger Arbeit im Betrieb und damit zur Notwendigkeit von Entlassungen führen - denn zwingend ist diese Annahme keineswegs.
Was passiert, wenn es andere Möglichkeiten der Beschäftigung gibt?
Nach dem Kündigungsschutzgesetz müssen die inner- oder außerbetrieblichen Kündigungsgründe dringend sein. Ein betrieblicher Grund ist nur dann dringend, wenn der Arbeitgeber nicht durch andere zumutbare technische, organisatorische oder wirtschaftliche Maßnahmen seine Interessen hinreichend wahren kann, also kein milderes Mittel in Betracht kommt. Die Kündigung muss unvermeidbar sein. Vermeidbar ist die Kündigung aber z. B. dann, wenn der Arbeitnehmer auf einen anderen freien Arbeitsplatz versetzt werden kann oder die Möglichkeit einer Änderungskündigung besteht.
Muss der Arbeitgeber zwischen verschiedenen Mitarbeitern wählen?
Schließlich muss der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine gegebenenfalls vorhandene Schwerbehinderung ausreichend berücksichtigen. Die richtige Auswahl ist in der Praxis vor allem bereits deshalb schwierig, weil oft schon nicht klar ist, welche Arbeitnehmer in die sogenannte Sozialauswahl einzubeziehen sind. Grundsätzlich müssen die Arbeitnehmer bzw. die von ihnen auszuführenden Tätigkeiten vergleichbar sein. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass nur diejenigen Arbeitnehmer vergleichbar sind, die aufgrund ihrer Qualifikation und ihrer bisherigen Tätigkeit untereinander austauschbar sind. Eine Vergleichbarkeit findet außerdem auch nur zwischen Arbeitnehmern derselben hierarchischen Ebene im Betrieb statt. Ein Abteilungsleiter ist also nicht mit einem Sachbearbeiter zu vergleichen.
Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
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