Die arbeitsrechtliche Dreierbeziehung

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 14.07.2007

Die arbeitsrechtliche Dreierbeziehung
Zeitarbeit - Jeder Dritte wird in ein festes Anstellungsverhältnis übernommen -Personalausfall wird überbrückt

Zeitarbeit – vielfach auch als Leiharbeit, Personalleasing oder Arbeitnehmerüberlassung bekannt – ist aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Nicht nur große Unternehmen nutzen diese Dienstleistungsform bei Personalengpässen, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen überbrücken Personalausfälle bei Krankheit und Urlaub oder einem vorübergehend erhöhten Auftragsaufkommen durch den Einsatz von Zeitarbeitern. Doch wie funktioniert Zeitarbeit eigentlich und was versteht man konkret darunter?

Wie funktioniert Zeitarbeit?
Bei der Zeitarbeit besteht eine arbeitsrechtliche Dreierbeziehung. Ein Arbeitgeber (Verleiher) überlässt einem anderen Unternehmen (Entleiher) einen Arbeitnehmer (Zeitarbeiter/Leiharbeitnehmer) zur Arbeitsleistung in dessen Betrieb. Arbeitgeber ist aber weiterhin das Zeitarbeitsunternehmen. Von diesem erhalten die Zeitarbeiter auch ihren Lohn. Ein immer wieder anzutreffender Irrglaube ist, dass Leiharbeitnehmer keine „richtigen“ Arbeitnehmer sind oder nur vorübergehend beschäftigt werden. Diese Annahme ist aber falsch. Zeitarbeiter können zwar wie andere Arbeitnehmer auch befristet eingestellt werden, häufig erfolgt die Anstellung unbefristet, in jedem Fall aber sozialversicherungspflichtig. Zeitarbeiter sind daher ganz „normale“ Arbeitnehmer, die wie jeder andere Arbeitnehmer Anspruch auf einen Arbeitsvertrag mit sämtlichen üblichen Leistungen, wie z. B. bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bei entsprechender Größe des Unternehmens auch gesetzlichen Kündigungsschutz, haben.

Was verdient ein Zeitarbeiter?
Zeitarbeit ist nicht in jedem Fall Billigarbeit. Die Rahmenbedingungen für die Zeitarbeit haben sich im Jahr 2004 ganz wesentlich geändert. Seitdem sieht das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) eine gesetzliche Verpflichtung des Verleihers vor, dem Zeitarbeiter während der Überlassung an einen Kunden- bzw. Entleiherbetrieb die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes zu gewähren. Allerdings lässt der Gesetzgeber eine Abweichung von diesem sog. „Equal-Treatment-Grundsatz“ z. B. dann zu, wenn das Zeitunternehmen einen Tarifvertrag der Zeitarbeitsbranche anwendet. In der Zeitarbeitsbranche wird daher seit dem Jahr 2004 zu fast 100 % nach Tarif bezahlt. Neben verschiedenen Haus-Tarifverträgen großer Zeitarbeitsfirmen existieren verschiedene Mantel- und Entgelttarifverträge, die sowohl die Arbeitsbedingungen als auch das Entgelt regeln. Auf diese Weise wird Lohndumping in der Zeitarbeit vermieden. Welcher Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, ergibt sich regelmäßig aus dem zwischen dem Verleiher und Zeitarbeiter geschlossenen Arbeitsvertrag.

Erfahrungsgemäß liegen die an Zeitarbeiter gezahlten Stundenlöhne etwa 20-30 % unter denen der üblicherweise für die gleiche Arbeit gezahlten Löhne. Dies hängt damit zusammen, dass die Zeitarbeitsfirmen von den Stundenverrechnungssätzen, die diese wiederum ihren Kunden bzw. dem Entleiher in Rechnung stellen, neben den üblichen Sozialabgaben auch einen nicht ganz unerheblichen Verwaltungsaufwand bestreiten müssen. Daneben ist zu berücksichtigen, dass z.B. bei einem fehlenden Auftrag und damit einer fehlenden Einsatzmöglichkeit des Zeitarbeiters dieser trotzdem sein Gehalt weiterhin bekommt. Das Gleiche gilt auch für die Lohnfortzahlungskosten im Krankheitsfall sowie während des Urlaubes, die bei der Arbeitnehmerüberlassung nicht vom Kunden, sondern ausschließlich vom Zeitarbeitsunternehmen getragen werden. Diese sog. Lohngarantien sind gesetzlich vorgeschrieben und stellen einen zusätzlichen Kostenfaktor für das Zeitarbeitsunternehmen dar.

Wie oft wechselt der Einsatzort und müssen Zeitarbeiter jede Tätigkeit ausführen?
Es liegt in der Natur der Sache, dass der Zeitarbeiter meist nicht nur in einem Kundenbetrieb, sondern in unterschiedlichen Betrieben, eingesetzt wird. Wie oft der Einsatzort wechseln kann, hängt regelmäßig von der Art der Tätigkeit und dem Kundenauftrag ab. Es ist aber durchaus nicht ungewöhnlich, dass ein Zeitarbeiter mehrere Monate in einem Betrieb tätig ist, manchmal sogar hiernach von dem Kunden übernommen wird. Eine zeitliche Obergrenze für die Überlassung in einen Kundenbetrieb besteht heute nicht mehr.

Welche Tätigkeiten ein Zeitarbeiter ausüben muss, richtet sich in erster Linie – wie in jedem anderen Arbeitsverhältnis auch – nach dem zwischen den Arbeitsvertragsparteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Wird beispielsweise ein Bauingenieur als Helfer eingestellt, so ist er auch für einfache Hilfstätigkeiten, z. B. als Produktions- oder Erntehelfer, einsetzbar. Ist er hingegen als Bauingenieur eingestellt, wäre eine solche Einsatzmöglichkeit unzumutbar.

Wie mobil ein Zeitarbeiter sein muss, hängt ebenfalls vom Arbeitsvertrag ab. Bestimmt der Vertrag etwa die Erbringung der Arbeitsleistung im Bereich Darmstadt, ist der Mitarbeiter nicht verpflichtet, einen Einsatz in München wahrzunehmen. Die meisten Arbeitsverträge enthalten allerdings sog. Öffnungsklauseln, mit denen sich der Arbeitgeber vorbehält, den Arbeitnehmer u.U. auch an einem anderen Ort einzusetzen. Welche Entfernungen hierbei für den Zeitarbeiter zumutbar sind, hängt regelmäßig vom Einzelfall ab.

Was ist, wenn ein Kundenbetrieb einen Zeitarbeitnehmer übernehmen möchte?
Auch wenn Zeitarbeiter regelmäßig etwas weniger verdienen als vergleichbare Arbeitnehmer, so stellt die Zeitarbeit für viele Arbeitnehmer durchaus eine Alternative zum konventionellen Arbeitsverhältnis dar. Die Zeitarbeit verbindet die Sicherheit eines festen Arbeitsverhältnisses mit der abwechslungsreichen Möglichkeit, Erfahrungen in verschiedenen Firmen zu sammeln. Nicht selten kommt es darüber hinaus vor, dass der Zeitarbeiter - wenn die „Chemie“ stimmt - vom Kundenbetrieb abgeworben wird und in eine Festanstellung überwechselt. Die Übernahme von Zeitarbeitnehmern in den Kundenbetrieb ist keine Seltenheit, schon heute bleibt jeder dritte Zeitarbeiter im Kundenbetrieb „kleben“. Nicht zuletzt deswegen spricht man oft von einer Brückenfunktion der Zeitarbeit. Firmen benutzen Zeitarbeit häufig, um qualifizierte neue Mitarbeiter, die gut in das Team des Entleiherbetriebs passen, auf diesem Weg zu finden. Hierdurch ersparen sich Unternehmen meist viel Zeit und Kosten bei der Personalsuche. Die Zeitarbeit bringt aber darüber hinaus auch den Vorteil, dass ein Unternehmen den neuen Mitarbeiter und seine Qualitäten erst einmal richtig kennen lernen kann. Denn: Wird ein Zeitarbeiter vom Kundenbetrieb übernommen, kann der Kundenbetrieb noch einmal eine Probezeit vereinbaren, selbst dann, wenn der Zeitarbeiter vorher im Auftrag des Zeitunternehmens die gleiche Arbeit verrichtet hat.

Ist Zeitarbeit nur etwas für Ungelernte?
Diese Frage ist heute ganz klar zu verneinen, denn immer mehr Zeitarbeitsfirmen spezialisieren sich auf bestimmt Berufsgruppen. So gibt es Zeitarbeitsfirmen, die Arbeitnehmer nur aus bestimmten Berufssparten wie z.B. Bürokräfte, Ingenieure, Pflegehelfer oder z. B. gelernte Handwerker oder sonstige Fachkräfte beschäftigen. Daneben gibt es aber auch Zeitarbeitsfirmen, die zu fast 100 % Produktionskräfte im Helferbereich vermitteln. Aus den Statistiken der Agentur für Arbeit, der alle Berufsqualifikationen regelmäßig von den Zeitarbeitsfirmen gemeldet werden müssen, kann man entnehmen, dass es heute praktisch kaum einen Beruf gibt, der von der Branche Zeitarbeit nicht betreut werden kann.

Woran erkennt man ein gutes Zeitarbeitsunternehmen?
Wichtig ist zunächst einmal, dass ein Zeitarbeitsunternehmen eine sog. Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat. Das Fehlen einer derartigen behördlichen Erlaubnis hat nämlich ansonsten ganz gravierende Folgen für den Entleiherbetrieb. In diesem Fall ist nämlich der Arbeitsvertrag zwischen dem Zeitarbeiter und dem Zeitarbeitsunternehmen unwirksam, was zur Folge hat, dass zwischen dem Zeitarbeiter und dem Kundenbetrieb ein Arbeitsverhältnis zustande kommt.

Die Mitgliedschaft in einem Berufsverband ist nicht zwingend, aber regelmäßig von Vorteil. Aus Kundensicht ist besonders wichtig, dass eine sog. Unbedenklichkeitsbescheinigung der sozialen Träger vorliegt, da im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung die Besonderheit besteht, dass auch bei erlaubter Arbeitnehmerüberlassung den Entleiher bzw. Kunden eine sog. Subsidiärhaftung für vom Verleiher nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge trifft. Eine seriöses Zeitarbeitsunternehmen wird dem Kundenbetrieb eine solche Unbedenklichkeitsbescheinigung regelmäßig auf Nachfrage aushändigen können.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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