Bundesarbeitsgericht: Teilzeitbeschäftigter hat Anspruch auf Verlängerung seiner Arbeitszeit

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 26.05.2007

Bundesarbeitsgericht: Teilzeitbeschäftigter hat Anspruch auf Verlängerung seiner Arbeitszeit

Bereits seit dem 21. Dezember 2000 ist das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge - kurz: Teilzeit – und Befristungsgesetz genannt (TzBfG), in Kraft. Ziel dieses Gesetzes ist es, die Teilzeitarbeit zu fördern und die Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern zu verhindern. Nach diesem Gesetz können Arbeitnehmer aber nicht nur einen Anspruch auf Reduzierung ihrer Arbeitszeit geltend machen, sondern umgekehrt auch auf Erhöhung bzw. Verlängerung ihrer Arbeitszeit. Die Verlängerung der Arbeitszeit ist in § 9 TzBfG geregelt und enthält die Verpflichtung des Arbeitgebers, einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach Verlängerung seiner Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung einer entsprechenden freien Arbeitsstelle bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen.

In diesem Sinne hat das Bundesarbeitsgericht in einem kürzlich ergangenen Urteil zugunsten des klagenden Arbeitnehmers entschieden. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Arbeitnehmer bei einem Automobilclub als Disponent in der Pannenhilfe mit 20 Arbeitsstunden wöchentlich beschäftigt. Im Rahmen des Arbeitsvertrages haben die Parteien die Anwendbarkeit der jeweiligen Tarifverträge des Kraftfahrzeuggewerbes Bayern vereinbart. Nach dem maßgeblichen Manteltarifvertrag beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmers 36 Stunden und kann mit dessen Zustimmung auf 40 Stunden/Woche verlängert werden. Im August 2005 schrieb der Arbeitgeber vier neu zu besetzende Disponentenstellen in Vollzeit aus. Der Kläger verlangte daraufhin die Zustimmung zur Verlängerung seiner regelmäßigen vertraglichen Arbeitszeit auf 36 Stunden, hilfsweise auf 40 Stunden wöchentlich. Das lehnte der Arbeitgeber ab, weil er die ausgeschriebenen Stellen mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich und zwar ohne Tarifbindung gestalten wollte.

Während das Arbeitsgericht in erster Instanz den Arbeitgeber verurteilt hatte, das Angebot des Klägers zur Verlängerung der Arbeitszeit auf 36 Stunden/Woche anzunehmen, wies das hierauf vom Arbeitgeber angerufene Landesarbeitsgericht die Klage in der Berufungsinstanz ab. Hiergegen zog allerdings der Arbeitnehmer vor das Bundesarbeitsgericht, das sich der Auffassung des Arbeitsgerichtes anschloss und entschied, dass der klagende Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf die begehrte Verlängerung seiner Arbeitszeit habe (BAG, Urteil vom 8.05.2007, Az.: 9 AZR 874/06). Das Bundesarbeitsgericht führte in diesem Zusammenhang ergänzend aus, dass ein Arbeitgeber lediglich dann anders entscheiden könne, wenn dem Wunsch eines Arbeitnehmers auf Verlängerung seiner Arbeitszeit dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegen stehen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit dieser Entscheidung erstmals festgestellt, dass Arbeitnehmer ein einklagbares Recht auf Erhöhung ihrer Arbeitszeit haben und § 9 TzBfG nicht nur einen unverbindlichen Appell an den Arbeitgeber enthält.

Für die Praxis bedeutet das Urteil des höchsten deutschen Arbeitsgerichtes, dass der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zunächst dem Arbeitgeber seinen Wunsch nach Erhöhung seiner Arbeitszeit mitteilen sollte. Hieraufhin ist dann der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer zu informieren, ob ein freier und geeigneter Arbeitsplatz zur Besetzung ansteht. Das Urteil des Bundesarbeitsgericht darf allerdings nicht dergestalt verstanden werden, dass der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz nach den Wünschen seines Arbeitnehmers gestalten oder ihm sogar die für eine andere Stelle vorgesehene Arbeitszeit zuweisen muss. Die Organisationshoheit verbleibt nach wie vor beim Arbeitgeber. Daher kann der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle grundsätzlich frei formulieren, sofern die Festlegung nicht willkürlich ist oder dazu dient einen bestimmten Bewerber von vornherein auszuschließen. Besteht also ein freier Vollzeitarbeitsplatz und ist der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer für diese Position geeignet, so ist die Ablehnung seines Verlängerungswunsches nur bei entgegenstehenden dringenden betrieblichen Gründen oder vorrangigen Arbeitszeitwünschen anderer Arbeitnehmer zulässig.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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