Arbeitszeugnis - Lob ist nicht immer gleich Lob!
Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 25.02.2006
Jeder Arbeitnehmer kann bei der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses von seinem Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis beanspruchen, § 630 BGB. Inwieweit das vom Arbeitgeber ausgestellte Zeugnis tatsächlich ein gutes oder sogar sehr gutes Arbeitszeugnis darstellt, ist für viele Arbeitnehmer häufig schwer zu beurteilen, da sich die wenigsten Beschäftigten im Dschungel der Zeugnisfloskeln zurecht finden. Viele Sätze klingen vordergründig freundlich und trotzdem lesen Experten zwischen den Zeilen, dass der Arbeitnehmer ein fauler oder inkompetenter Mitarbeiter war. Gerade auf einem schwierigen Arbeitsmarkt sind aber korrekte Bewerbungsunterlagen wichtig und insbesondere das Arbeitszeugnis eine wichtige Informationsquelle des künftigen Arbeitgebers.
Bei der Überprüfung eines Zeugnisses sollte daher zunächst auf korrekte Formalien geachtet werden. Der Arbeitnehmer hat ein Recht darauf, dass ihm das Arbeitszeugnis auf sauberem und aktuellem Geschäftspapier erstellt wird, es darf keine Streichungen oder Ausbesserungen, Radierungen, Flecken, Geheimzeichen, Unleserliches oder ähnliche Merkmale enthalten. Das Zeugnis muss ferner die vollständige Bezeichnung des Arbeitgebers, das Datum der Zeugnisausstellung, Name, Vorname, Geburtsdatum und Geburtsort des Arbeitnehmers, die Dauer des Arbeitsverhältnisses, eine genaue Beschreibung der Tätigkeit des Arbeitnehmers sowie eine Bewertung der Leistungen und der Führung des Arbeitnehmers enthalten.
Bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Zeugnisses ist vom Arbeitgeber zu beachten, dass einerseits die zukünftigen Chancen des Arbeitnehmers nicht beeinträchtigen werden und das Zeugnis daher - wie von den Arbeitsgerichten gefordert - vom Wohlwollen des Arbeitgebers getragen ist. Anderseits muss das Arbeitszeugnis aber auch der Wahrheit entsprechen. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht „über den grünen Klee“ loben, wenn dieser nur mittelmäßig gearbeitet hat, andernfalls macht er sich u.U. schadensersatzpflichtig gegenüber einem neuen Arbeitgeber.
Fehlen in einem Zeugnis beispielsweise Angaben zum Aufgabenfeld oder zur Verhaltensbewertung, kann dies beim Leser wie ein beredetes Schweigen wirken. Womöglich lässt der Zeugnisaussteller absichtlich Informationen weg, weil sie negativ sind. Wird hingegen der Schwerpunkt auf Selbstverständlichkeiten gelegt, kann dies schnell den Eindruck erwecken, dass alles andere wohl eher mangelhaft war.
Hauptsächlicher Streitpunkt ist in der Praxis vor allem die Beurteilung der Leistungen des Arbeitnehmers. Hier hat sich eine Art „Zeugnissprache“ herausgebildet, welche die Bewertung in verklausulierter Form zum Ausdruck bringt. Dabei bedeuten: „Herr/Frau X erledigte die ihm übertragenen Aufgaben …
- stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.“ = sehr gut
- stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“ = gut
- stets zu unserer Zufriedenheit.“ = befriedigend
- zu unserer Zufriedenheit.“ = ausreichend
- im großen und ganzen zu unserer Zufriedenheit.“ = mangelhaft
Die Note „mangelhaft“ wird z. B. auch in der Weise ausgedrückt, dass dem Arbeitnehmer bescheinigt wird, er habe sich „stets bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden“. Selbst Negativurteile wirken für den ungeübten Zeugnisleser im ersten Moment wie ein Lob. So signalisiert z.B. die Formulierung, der Arbeitnehmer sei „tüchtig und in der Lage, seine eigene Meinung zu vertreten“, dass der Arbeitnehmer eine hohe Meinung von sich hat und keine Kritik verträgt. Die Bemerkung, der Arbeitnehmer sei „ein anspruchsvoller und kritischer Mitarbeiter“ kann wie folgt übersetzt werden: Der Arbeitnehmer war eigensüchtig, pocht anderen Arbeitnehmern gegenüber auf seine Rechte und nörgelt gerne. Steht im Arbeitszeugnis beispielsweise, dass der Arbeitnehmer „stets zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen hat“, soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass er dem Alkohol mehr als zuträglich zugesprochen hat und/oder Klatsch und Tratsch weitererzählt hat.
Eine offensichtlich negative oder gehässige Beurteilung braucht sich der Arbeitnehmer aber nicht gefallen zu lassen, wenn sie nicht den Tatsachen entspricht. Ist der Arbeitnehmer mit dem ausgestellten Arbeitszeugnis nicht zufrieden, kann er hiergegen notfalls mit einer Zeugnisberichtigungsklage vorgehen. Unter Umständen besteht sogar Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Arbeitnehmer nachweisen kann, dass er wegen eines fehlerhaften Arbeitszeugnisses eine neue Stelle nicht erhalten hat. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass konkrete Formulierungswünsche des Arbeitnehmers sowie die sog. Schlussformulierung nicht einklagbar sind. Der Arbeitgeber ist gesetzlich nicht verpflichtet, das Arbeitzeugnis mit einer Schlussformulierung abzuschließen, in dem er dem Arbeitnehmer für die gute Zusammenarbeit dankt, sein Ausscheiden bedauert und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht. Zwar enthält ein gutes Arbeitszeugnis in der Regel eine derartige Schlussformulierung, gleichwohl hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 20. Februar 2001, Az.: 9 AZR 44/00, entschieden, dass der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf eine solche Zeugnisformulierung hat. Eine vom ausscheidenden Arbeitnehmer begehrte Schlussformulierung betrifft weder Führung noch Leistung des Arbeitnehmers und gehört daher nicht zu dem gesetzlich bestimmten Inhalt eines Zeugnisses. Vor diesem Hintergrund ist es insbesondere bei Beendigungsverhandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dringend anzuraten, eine konkrete Ausgestaltung des Arbeitszeugnisses zu vereinbaren. Eine spätere gerichtliche Geltendmachung ist in Anbetracht der vorstehenden Rechtsprechung wenig Erfolg versprechend.
Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
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