Alt-Arbeitnehmer können ihren Kündigungsschutz verlieren!

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 13.05.2006

„Alt-Arbeitnehmer“ können ihren Kündigungsschutz verlieren!

 

Infolge der Reform des Kündigungsschutzgesetzes, die mit Wirkung zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist, gilt das Kündigungsschutzgesetz lediglich in Betrieben, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen. Erst bei einer Mitarbeiterzahl von mindestens 10,25 –diese quotale Betrachtung ist wegen der anteiligen Berücksichtigung von Teilzeitkräften rechtlich möglich - ist der Arbeitgeber im Streitfall zu einer umfangreichen Begründung seiner Kündigung verpflichtet. Unterhalb dieses Grenzwertes ist der Arbeitgeber grundsätzlich jederzeit berechtigt, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist zu kündigen. Es bestehen jedoch gesetzliche Übergangsregelungen zugunsten so genannter „Altarbeitnehmer“, die heute von einer Kündigung bedroht sind, deren Arbeitsverhältnis jedoch vor dem 1. Januar 2004 begründet wurde. In diesem Fall gilt noch der alte Schwellenwert des § 23 Kündigungsschutzgesetz, wonach für die Annahme des gesetzlichen Kündigungsschutzes auf eine Mitarbeiterzahl von mehr als 5 Arbeitnehmern abzustellen ist.

 

Zum Kündigungsschutz in Betrieben mit mehr als fünf und maximal 10 Arbeitnehmern hat das Landesarbeitsgericht Hamburg mit einer Entscheidung vom 1.9.2005 eine Grundsatzentscheidung getroffen, die derzeit das Bundesarbeitsgericht beschäftigt. In dem der Entscheidung des LAG Hamburg zugrunde liegenden Fall hatte ein Alt-Arbeitnehmer gegen seine Kündigung geklagt und hierbei geltend gemacht, dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, da die Anzahl der Arbeitnehmer im Betrieb zu jedem Zeitpunkt über 5 gelegen habe. Die Besonderheit in diesem Fall bestand darin, dass zum Zeitpunkt der Kündigung nur noch 3 der Alt-Arbeitnehmer übrig waren und der Schwellenwert von 5 Arbeitnehmern nur wegen entsprechender Neueinstellungen überstiegen wurde. Der Kläger war der Auffassung, dass die Alt-Arbeitnehmer solange ihren Kündigungsschutz behalten, wie die Arbeitnehmerzahl insgesamt mehr als 5 betrage. Der oben beschriebene Ersatz ausgeschiedener Alt-Arbeitnehmern durch Neueinstellungen sei dabei unerheblich. Er machte geltend, dass die mit der Kündigungsschutzreform verfolgte Absicht, den Bestandsschutz für Alt-Arbeitnehmer unverändert zu lassen, anders nicht zu erreichen sei.

 

Dieser Auffassung hat das LAG Hamburg wie auch schon zuvor das Arbeitsgericht eine klare Absage erteilt und dem Arbeitgeber Recht gegeben. Die Kündigung bedurfte daher keiner sozialen Rechtfertigung. Begründet hat das LAG Hamburg seine Entscheidung mit dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 3, 2. HS Kündigungsschutzgesetz, wonach Neu-Arbeitnehmer (Arbeitsbeginn nach dem 31.12.2003) bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSCHG (also für den Schwellenwert von 5,25) nicht zu berücksichtigen sind, soweit die Anzahl der Beschäftigten nicht insgesamt über 10 Beschäftigte steigt. Mit anderen Worten bedeutet dies: Zum Erhalt des Kündigungsschutzes von Alt-Arbeitnehmern in Betrieben mit bis zu 10 Arbeitnehmern genügt nicht allein eine Anzahl von mehr als 5 Arbeitnehmern, vielmehr müssen diese 5 Arbeitnehmer „Alt-Arbeitnehmer“ sein. Das LAG Hamm sah die gesetzliche Regelung als völlig eindeutig an.

Der Arbeitnehmer hat sich mit dieser Entscheidung nicht zufrieden gegeben und ist vor das Bundesarbeitsgericht gezogen, welches die Angelegenheit wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage angenommen hat. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Es bleibt also abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht den Wortlaut des Kündigungsschutzgesetzes ebenfalls so eindeutig sieht wie das LAG Hamburg.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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