Trendwende in der Arbeitnehmerüberlassung

Veröffentlicht in der Tageszeitung "Darmstäder Echo" am 29.01.2005

Die Arbeitnehmerüberlassung ist aus der heutigen Zeit kaum mehr wegzudenken. Viele Unternehmen nutzen diese Dienstleistungsform bei Personalengpässen im eigenen Betrieb beispielsweise bei Krankheit, Urlaub, Schwangerschaft ihrer eigenen Mitarbeiter oder bei zusätzlichem vorübergehenden Auftragsaufkommen. Der Einsatz von Leiharbeitnehmern hat für Unternehmen den Vorteil, dass der Personalbedarf flexibler an die betrieblichen Bedürfnisse angepasst werden kann.

 

Was versteht man unter Arbeitnehmerüberlassung? Der Begriff der Arbeitnehmerüberlassung - vielfach auch Leiharbeit oder Zeitarbeit genannt- bezeichnet eine arbeitsrechtliche Dreierbeziehung. Ein Arbeitgeber (Verleiher) überlässt einem anderen Unternehmen (Entleiher) einen Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) zur Arbeitsleistung. Ein hierbei immer wieder anzutreffender Irrglaube ist, dass Leiharbeitnehmer keine „richtigen“ Arbeitnehmer sind oder nur kurze Zeit beschäftigt sind. Das Gegenteil ist der Fall. Leiharbeitnehmer sind ganz normale Arbeitnehmer, die bei einem ganz normalen Unternehmen – dem Zeitarbeitsunternehmen- beschäftigt sind und wie jeder andere Arbeitnehmer Anspruch auf einen Arbeitsvertrag mit sämtlichen üblichen Leistungen wie z.B. bezahltem Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall etc. und selbstverständlich bei entsprechender Größe des Betriebes auch gesetzlichen Kündigungsschutz haben.

 

Für Arbeitnehmer stellt die Arbeitnehmerüberlassung durchaus eine Alternative zum konventionellen Arbeitsverhältnis dar. Die Zeitarbeit verbindet die Sicherheit eines festen Arbeitsverhältnisses mit der abwechslungsreichen Möglichkeit, Erfahrungen in verschiedenen Firmen zu sammeln. Nicht selten kommt es darüber hinaus vor, dass der Leiharbeitnehmer - wenn die „Chemie“ stimmt - vom Entleiher abgeworben wird und dort in eine Festanstellung überwechselt. Dies ist auch von Seiten der Zeitarbeitsfirmen nicht zwangsläufig unerwünscht, vereinbaren doch die meisten Unternehmen mit ihren Kunden entsprechende Vermittlungsprovisionen für die Übernahme ihrer Mitarbeiter. Die Zulässigkeit solcher Vermittlungsprovisionen war in der Vergangenheit lange umstritten, der Gesetzgeber hat jedoch zu Beginn des Jahres 2004 Abhilfe geschaffen und eine Klarstellung in § 9 Abs. 3 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) aufgenommen. Danach ist die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung zwischen Verleiher und Entleiher für die nach vorangegangenem Verleih oder mittels vorangegangenem Verleih erfolgte Vermittlung nunmehr ausdrücklich erlaubt. Für den Entleiher ist dann zwar die Übernahme des Leiharbeitnehmers mit einer weiteren Zahlung verbunden, er hat jedoch den Vorteil, dass er sich bereits zuvor während der Dauer der Arbeitnehmerüberlassung von den Fähigkeiten seines neuen Mitarbeiters überzeugen konnte. Daneben bleibt dem Entleiher die in der Regel zeitaufwendige Durchführung von Bewerbungsverfahren erspart.

 

Der Umfang der Arbeitnehmerüberlassung ist in den vergangenen Jahren zwar stark angestiegen, dennoch ist Deutschland mit einem Anteil der Leiharbeitnehmer von rund 1 % der sozialversicherungsrechtlich Beschäftigten immer noch Schlusslicht im Vergleich zu europäischen Nachbarländern.

 

Hieran soll sich künftig etwas ändern. Mit den Regelungen zur Hartz-Reform hat die Bundesregierung den Versuch unternommen, eine Trendwende in der Arbeitnehmerüberlassung einzuleiten. Ziel der Reform soll unter anderem auch die Steigerung der Akzeptanz und des gesellschaftlichen Ansehens der Leiharbeit sein.

 

Die Rahmenbedingungen für die Arbeitnehmerüberlassung haben sich zum 01.01.2004 wesentlich geändert. So sind zum einen diverse Beschränkungen der Zeitarbeitsunternehmen, wie beispielsweise die Begrenzung der Höchstüberlassungsdauer, das Synchronisationsverbot und die Wiedereinstellungssperre aufgehoben worden. Parallel hierzu wurde die Verpflichtung des Verleihers gesetzlich eingeführt, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes zu gewähren. Der Gesetzgeber lässt eine Abweichung von diesem sogenannten „equal-treatment“-Grundsatz nur in sehr engen Grenzen zu, beispielsweise dann, wenn das Zeitarbeitsunternehmen einen Tarifvertrag gemäß §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG anwendet. Hintergrund dieser Regelung ist, dass es den Tarifvertragsparteen vorbehalten bleiben soll, vom Gleichbehandlungsgrundsatz abweichende Regelungen für die Leiharbeitnehmer festzulegen. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können dann aber auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

 

Aufgrund dieser Gesetzesänderung sind mittlerweile Tarifverträge zwischen der Interessengemeinschaft Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (IGZ) und den DGB-Gewerkschaften sowie zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) und den DGB-Gewerkschaften vereinbart worden. Weitere wichtige Tarifverträge sind mit der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA abgeschlossen worden. Hinzu kommt eine Vielzahl von Firmentarifverträgen. Allen Tarifverträgen ist es gemeinsam, dass sie eine eigenständige Regelung für die Zeitarbeitsfirmen treffen und die Arbeitsbedingungen, insbesondere auch die Gehälter, für die Leiharbeitnehmer festlegen.

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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